Grenzgeschichte

Zeitzeugenbericht

Es war um die Mitte der 50er Jahre im letzten Jahrhundert.

Ich war in der MTS (Maschinen-Traktoren-Station) Streufdorf beschäftigt, wir waren damals etwa zwanzig Männer. Unter Anderem waren wir für das Ackern des Zehn-Meter-Streifens an der Grenze nach Bayern zuständig und zwar ab Völkershausen um den Straufhain herum, links vorbei an Rudelsdorf und Rossfeld (beide Orte auf bayrischer Seite) Richtung Streufdorf und noch ein Stück in Richtung Steinfeld. Der Streifen musste regelmäßig geackert werden, damit man Spuren darin sehen konnte, wenn jemand unbefugt das Gelände betrat oder gar in den Westen flüchten wollte.

Nicht jeder durfte den Zehn-Meter-Streifen pflügen, dafür wurden nur Leute, die keine Verwandtschaft im Westen hatten, eingesetzt. Natürlich war bei jedem dieser Ackereinsätze ein Grenzer mit dabei. Die Grenzer und die Leute vom Dorf kannten sich manchmal. Zumindest vom Sehen her. Entweder durch´s Wirtshaus oder wenn sie sich bei Feldarbeit und dem Streife laufen begegneten.

Ich war noch ziemlich jung, hatte gerade meine Ausbildung in der MTS Streufdorf beendet und verdiente für mein Alter schon recht gut: 1,25 Mark in der Stunde. Viel Geld für mich damals. Da ich im Kollektiv und beim Brigadier als vertrauenswürdig galt und nie Absichten geäußert hatte „in den Westen rüber machen“ zu wollen, war ich einer der Leute, die zum Ackern des 10-Meter-Streifens eingeteilt wurden.

An diesem Tag war der Stabsfeldwebel K. aus Streufdorf mit mir auf der Raupe, hinten an der Raupe hing die Egge. Im Bereich zwischen Streufdorf in Richtung Steinfeld ging es ziemlich bergauf, da war mit einem Traktor nicht viel auszurichten. Deshalb kam dort die Raupe zum Einsatz. Auch hinter dem Straufhain war die Raupe angebracht, denn es gab dort eine ziemlich feuchte Stelle, die umfahren werden musste, wenn man nicht versinken wollte. Die Demarkationslinie ging genau mitten durch diese Stelle. Das bedeutete, die Raupe musste zwangsläufig einen kleinen, illegalen „Umweg“ durch die Bundesrepublik machen, es handelte sich aber wirklich nur um höchstens 2 Meter. Dumm war nur, dass ausgerechnet an diesem Tag und ausgerechnet auf diesem kleinen Umweg die Kette der Raupe herunter sprang. Nicht ganz, aber doch so bedenklich, dass ich nicht weiter fahren konnte. Der Genosse Stabsfeld sprang wie ein Blitz herunter und rüber in den Osten. Bestimmt wollte er sich keinen Ärger einhandeln. Vor lauter Schreck hatte er seine Waffe liegen gelassen, die ich ihm schnell zureichte. Zur gleichen Zeit ackerte ein Bauer auf der Westseite sein Feld und beobachtete das Geschehnis. Er kam näher, nickte wissend und sagte zu mir: „Pass auf, Jung, ich muss jetzt erst mal heim, meine Gäule füttern und versorgen und was essen, dann komm ich wieder und helf dir.“ Seinen Pflug ließ er stehen, dann machte er sich auf den kurzen Heimweg nach Rudelsdorf.

Tja, da half nur warten. Und so setzte ich mich zu dem Genossen Stabsfeldwebel auf ostdeutschen Boden rüber, wo ich der Ordnung halber ja auch hin gehörte. Dieser hatte bereits per Funk die Sachlage weiter gegeben. Es gesellten sich zwei Grenzer zu uns, die gerade auf Postengang waren. Nach einer Stunde kam der Bauer aus Rudelsdorf zurück. Er hatte Brot, Wurst und Bier dabei, was er uns anbot und das ich letztendlich im Westen verzehrt habe, weil er ja nicht in den Osten rüber durfte. Der Genosse Stabsfeldwebel verzichtete lieber auf das Angebot, drückte aber alle Augen zu, denn schließlich war es auch in seinem Sinne, dass dieses kleine Malheur zügig behoben wurde. Damals gab es an dieser Stelle noch keinen Zaun, nur Schilder an schwarz-rot-goldenen Holzpfählen. Nach der Brotzeit wurde mit vereinten Ost-West-Kräften die Kette wieder aufgelegt und die Arbeit konnte ohne weitere Zwischenfälle fortgeführt werden.

Wäre interessant zu wissen, ob dieser Vorfall mal irgendwo vermerkt wurde. Und wer der hilfsbereite Landwirt war, das war später auch nicht mehr zu erfahren. Seinen Namen hab ich vergessen. Es war auch besser, Kontakte nach „drüben“ zu vermeiden. Gerade in den Streufdorfer Einwohnern steckte noch lange der Schock der Aktion „Ungeziefer“, bei der viele Familien zwangsweise aus der Sperrzone ausgesiedelt wurden.

Ein Ereignis jedes Jahr im Spätherbst war die Straufhain-Treibjagd, da durfte im Sperrgebiet gejagt werden. Es waren natürlich immer Posten mit dabei. Wir jungen Leute waren die Treiber, das hat uns Spaß gemacht. Einmal wurde versehentlich (oder auch nicht) eine Sau auf westlicher Seite erlegt, ganz dicht unmittelbar an der Grenze. Irgendjemand sagte schlicht: Los, geht nüber und zerrt sie schnell rüber. Manchmal wurden auch geschossene Hasen im Dickicht versteckt und spät abends heimlich geholt.

Als Jugendlicher und mit allerhand Flausen im Kopf war für uns so ein kleiner Ausflug über die Grenze Anfang der 50er eine Herausforderung: es rüber zu schaffen und natürlich wieder zurück, ohne erwischt zu werden. Einmal hätte ich es mit einem Schulkameraden vielleicht bis Coburg geschafft, wäre da nicht am Fuchsberg der Reifen am Fahrrad geplatzt. Natürlich durften unsere Eltern von solchen Aktionen nichts wissen, war auch besser so.

Das war alles vorbei, nachdem der Zaun gebaut wurde. Ganze Waldstücke wurden gerodet, um den Grenzstreifen überschaubar zu machen. Unmengen von Holz sind gemacht worden! Die Bewohner konnten sich Genehmigungen für die Holzabfuhr holen, was rege genutzt wurde.

Im Mai 1952 ist eine „Polizeiverordnung über die Einführung einer besonderen Ordnung an der Demarkationslinie“ vom MfS im Auftrag der DDR-Regierung erlassen worden. Die Fluchtbewegung in den Westen sollte damit unterbunden werden. Es gab dann also den 10 Meter Kontrollstreifen, dann kam der 500 Meter breite Schutzstreifen und die 5 Kilometer Sperrzone.

Mit meinem Zetor und einem großen, hinten angehängten Bohrgerät war ich dabei, als der Grenzzaun Richtung Linden gebaut wurde. Manchmal war das an Steigungen im Gelände ziemlich gefährlich und ich dachte so manches Mal, mein Karren kippt mir gleich um. Es ging zum Glück immer gut und irgendwie wussten wir uns sowieso immer zu helfen, egal, in was für Situationen wir auch kamen. Im Improvisieren waren wir Meister. Es blieb uns ja manchmal nichts weiter übrig, denn es fehlte oft an Ersatzteilen zum Instandhalten der landwirtschaftlichen Maschinen. Wir Leute von der MTS und die Grenzer arbeiteten bei der Errichtung des Grenzzaunes Hand in Hand. Das Essen aus der Gulaschkanone der Grenzer wurde auch an uns Arbeiter ausgegeben, nach meinen Erinnerungen das „reinste Gedicht“ und es hat für so manche Strapazen entschädigt.

Ein paar schwache Erinnerungen habe ich auch heute noch an die Baracken der Russen am Fuße des Straufhain. Die wurden dann aber irgendwann abgerissen. Wann genau das war, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Es wurde dann die Grenzkompanie Holzberg, Richtung Steinfeld erbaut (später kam dort die ZBO = Zwischenbetriebliche Bauorganisation unter), danach die Grenzkompanie am Ortseingang Streufdorf von Simmershausen kommend (heute sind darin asylsuchende Menschen untergebracht).

Zetor 001

Das Foto stammt aus dem Jahr 1957 und zeigt den Zetor, den ich damals fuhr. Allerdings arbeitete ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der MTS, sondern als Kraftfahrer im VEB Kraftverkehr Hildburghausen, wo ich viele Jahre tätig war.

Diese Geschichte habe ich nach den Erinnerungen eines Zeitzeugen aufgeschrieben. Für die interessanten Informationen bedanke ich mich sehr herzlich.

Für alle Fälle ausgerüstet

Eine Woche Ostseeurlaub lag vor mir – wie schön. Seit Wochen freute ich mich auf meine jährliche „Auszeit“ vom Alltag und natürlich wollte ich perfekt vorbereitet sein. Wie die Jahre vorher hatte ich Matratze, Kopfkissen und Schlafsack ins Auto gepackt sowie was zu essen und Klamotten für alle Wetterverhältnisse. Für den Strand sollte meine uralte Strandmuschel als Schutz vor Wind und eventuellen Regenschauern herhalten, ich hatte sie extra ganz frisch imprägniert. Als ich sie vor Abreise probeweise im Hof aufgestellt hatte, fielen mir die Ostseeurlaube mit den Kindern ein, wie lang das schon wieder her ist …

Nicht zu unterschätzen bei all den Reisevorbereitungen ist der ganze Kleinkram, den man beim Autocamping braucht (oder auch nicht). Wasserkanister, Wäscheleine und -klammern, Campinglampe, Ersatzbatterien, Insektenspray, Regenschirm, Klopapier, Essbesteck usw. usw. Auch heuer wieder die größte Herausforderung für mich und die ewige Frage: Hab ich an alles gedacht? Ich hatte nicht! Das fiel mir aber erst ein, als ich schon unterwegs war. Kondome! Wie konnte ich nur die Kondome vergessen? Ohne geht gar nicht, nicht am Meer! Sie sind definitiv ein absolut unverzichtbarer Bestandteil meiner Reiseausrüstung, die Dinger sollte man auf gar keinen Fall vergessen, wenn man schwerwiegende Folgen vermeiden will. Schon der Sicherheit wegen. Okay, dann musste ich mir also noch schnell welche besorgen.

Die ersten drei Nächte, bevor es weiter Richtung Ostsee gehen sollte, verbrachte ich recht komfortabel in einem schicken Gasthof nahe Treffurt. Als Mitglied eines Forums hatte ich mich zum jährlichen Treffen mit anderen Teilnehmern verabredet, um ein interessantes Wochenende zu erleben. Bis zum Beginn des Treffens am Freitagnachmittag, blieb mir noch genügend Zeit, um eine kleine Spritztour durch die Gegend zu unternehmen. An einem Supermarkt hielt ich an, um mir ein paar Getränke und die absolut unverzichtbaren Kondome zu kaufen. Die Getränke fand ich schnell, die Kondome nicht. Wo findet man sowas überhaupt im Supermarkt? Keine Ahnung! Vielleicht im Regal bei den Kosmetikartikeln für Männer? Fehlanzeige. Zwischen Duschbad, Rasierschaum, Aftershave, Deospray u.a. war nichts zu finden. Hmmm, die Dinger wird’s doch hier irgendwo geben? Da ich keine Lust hatte, mit der Suche noch mehr Zeit zu verplempern, fragte ich eine Verkäuferin, die geschäftig mit einer Kollegin ein Regal umsortierte. „Entschuldigen sie bitte, wo find ich hier denn Kondome?“ Der Kopf der anderen Verkäuferin schnellte beim Ausspruch des Wortes „Kondome“ sofort zu mir herum. Zwei neugierige Augen musterten mich unverhohlen und mit viel Interesse an meiner Person von oben bis unten (der ihr Kopfkino hätte mich mal interessiert …), während die andere mir freundlich mitteilte, dass die im Regal hinter der Kasse stehen. Ich bedankte mich, warf der glotzenden Verkäuferin einen vielsagenden Blick zu, stöberte noch ein bisschen bei den Zeitschriften rum und lenkte meinen Einkaufswagen zielstrebig Richtung Kasse. Es waren zwei Kassen besetzt. Ich stellte mich an der Kasse an, hinter der ich das betreffende Regal sah. Vor mir war nur eine Kundin, die ihrem Einkauf nach zu urteilen entweder für eine Großfamilie einkaufte oder sich mit Lebensmitteln eindeckte, um für eine bevorstehende Katastrophe gerüstet zu sein. Zeit für mich die verschiedenen Verpackungen zu beäugen und schon eine Vorauswahl zu treffen. Alle möglichen Farben und ein paar Geschmacksrichtungen standen zur Auswahl. Ich wusste genau, was ich wollte: farblos und ohne Geschmack. Als meine Vorgängerin endlich das Band abgeräumt hatte und ich an der Reihe war, äußerte ich mein Begehren und es schien mir, als ob die Dame leicht errötete und erleichtert war, dass ich genau wusste, was ich wollte und ihr dadurch eine ausführliche Beschreibung der Vorzüge der einzelnen Produkte erspart blieb. „Ja Hilfe, ist das so außergewöhnlich, dass hier jemand Kondome einkaufte? Am Ende sind die noch überlagert und halten den kommenden Belastungen nicht mehr stand?“ mutmaßte ich. Oder lag es daran, dass ich eine Frau bin? Ich kam mir ja fast schon frivol vor! Obwohl – eigentlich kann ich mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal welche gekauft hatte. Bestimmt schon hundert Jahre her oder so. Bisher bin ich immer ohne sie in den Urlaub gefahren – wie leichtsinnig von mir! Ts ts ts, geradezu unglaublich!

Zurück in meinem Gasthof holte ich eins aus seiner Verpackung. Das schlabbrige Ding baumelte, nachdem ich es aufgerollt hatte, lustlos zwischen Daumen und Zeigefinger und ich stellte fest, dass ich es sooo definitiv nicht verwenden konnte. Zuerst musste mal dieses glitschige Zeugs da ab. Vorsichtshalber packte ich noch ein zweites Teil aus, immer besser, wenn man einen Ersatz parat hat so für alle Fälle, ne? Im Waschbecken behandelte ich die beiden Teile dann rigoros mit warmen Wasser und Seife, stülpte sie ein paar Mal um, spülte sie dann sorgsam mit klarem Wasser aus und trocknete sie mit einem Handtuch vorsichtig von außen und innen, indem ich sie nochmal umstülpte. Es schienen alle Reste des Gleitgels beseitigt zu sein, prima! Ich legte die beiden Kondome nebeneinander auf die Armlehne eines Stuhls, damit sie über Nacht vollständig trocknen konnten. Sah schon irgendwie komisch aus, wie die zwei Dinger da rum hingen und ich konnte mir ein Grinsen einfach nicht verkneifen. Unter keinen Umständen durfte ich vergessen, sie am nächsten Morgen vor dem Verlassen des Zimmers abzunehmen und im Schrank zu verstauen. Was würde sonst das Personal vom Zimmerservice denken!?

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Am nächsten Tag stand eine Busfahrt in einem historischen Bus auf dem Plan. Bei einem Stopp in Eisenach spazierten wir durch die Fußgängerzone. Das Wetter war perfekt. Wir schleckten Eis, beobachteten dabei ein Brautpaar, das aus einem Gebäude hinter der Kirche kam und von den Gästen gratuliert wurde. Als gegen Ende der Zeremonie rote Herzluftballons gen Himmel stiegen … Unwillkürlich runzelte sich angestrengt meine Stirn. Da war doch was? Luftballon – Ballon – Blasen – Gummi … NEIN! Ein kalter Schauer des Schreckens überlief mich. Die Kondome! Ich hatte sie vergessen! Wie doof aber auch! „Jetzt denken die im Hotel, dass ich geizig bin oder verrückt oder pervers oder was weiß ich. Ich werde bei Nacht und Nebel auschecken müssen, damit ich keinem mehr in die Augen schauen muss!“ schoss es mir durch den Kopf. Oder ganz cool tun: „Wieso, ihr benutzt die wohl nur einmal? Was für eine Verschwendung. Man muss doch auch mal an die Umwelt denken!“ Den Rest des Tages war ich mir nicht sicher, ob ich über mein Versäumnis lachen oder mich peinlich berührt fühlen sollte.

Zurück im Gasthof stellte ich

  1. fest: Sie hingen noch über der Armlehne.
  2. dass es sich hierbei um eine echt außergewöhnliche „Deko“ handelte und
  3. musste ich laut loslachen. Lachen ist sowieso meist das beste Mittel gegen Peinlichkeiten.

Am übernächsten Tag, ich aalte mich entspannt am Ostseestrande, sah ich doch tatsächlich ein Pärchen, das belustigt damit beschäftigt war, Kondome über ihre Handys zu stülpen. Na also, bin ich nicht die Einzige hier am Strand, die dieses Video auf YouTube gesehen hat. Ich muss euch sagen, mein Handy hat sowohl Sand als auch Nässe am Strand unbeschadet überstanden. Dank sorgsam gewaschener, elegant übergestülpter und fest verknoteter Überzieher. Da kommt nix rein und der Anblick ist – naja – sagen wir mal – irgendwie besonders 😉

Also wundert euch nicht, wenn ihr an der Wäscheleine in unserem Hof frisch gewaschene Kondome hängen seht – immerhin geht es auf den Winter zu. Was gegen Sand gut ist wird auch bei Schnee helfen, gelle?

Grad denke ich darüber noch, ob man Kondome nicht auch anderweitig verwenden kann. Ihrer Form nach könnt ich mir gut vorstellen, sie im Notfall auch zur Verhütung zu verwenden, oder?

KRIMI total „Der Hanf des Verderbens“

Eigentlich hatte ich einen schlechten Tag und der Tag davor war auch schlecht. Ich wollte mich schon abmelden, doch damit wäre unser geplantes Krimi-Dinner ins Wasser gefallen. Schwierig, so kurzfristig einen Ersatz zu finden. Also raffte ich mich mühsam auf und versuchte mich in meine Rolle hinein zu denken. Das Thema: Hippiekommune, Ende der 60er Jahre. Ich: „Adelheid, 32, der lebende Beweis, dass Sex, Drugs and Rock`n Roll der Schönheit förderlich sind“. Haha, bei dieser miesen Stimmung! In meiner Rollenbeschreibung stand, dass ich nicht auf den typischen Hippieschlabberlook stehe, sondern sexy Klamotten im floralen Design trage. Hm, eine Herausforderung! Während ich Sauerkrautbrötchen und Zupfbrot zubereitete (jeder sollte was mitbringen), wühlte ich gedanklich schon mal meine Garderobe durch, etwas später praktisch. Es dauerte nicht lang und im ganzen Zimmer verstreut lagen irgendwelche Klamotten rum. Die Auswahl an Sachen im floralen Design + sexy war nicht wirklich ergiebig und in Unterwäsche konnte ich ja nun weißgott nicht zur Krimiparty aufkreuzen. Schließlich entschied ich mich für ein Kleid, dass zumindest annähernd in die Richtung „floral“ ging und mir gerade noch so passte. Den Saum raffte ich über dem Knie etwas nach oben – fertig. Auf der Wiese hinter dem Garten hatte ich Blumen für meine Haare gepflückt und mit ganz viel Schminke im Gesicht identifizierte ich mich so langsam mit meiner Rolle  – Adelheid guckte mir aus dem Spiegel entgegen.

Adelheid aus der Hippiekommune

Es war ein wunderschöner Abend! Unsere lockere, bunt zusammengewürfelte Gruppe hatte ein gemütliches Plätzchen unter einem alten Baum im Hof des Schlosses von Weitersroda gefunden und nach ein paar Spielrunden den Mordfall, der auf der Insel der Hippiekommune passiert war, gelöst. Es war lustig und wir waren alle echt gut drauf. Meine schlechte Laune war wie weggeblasen und wir verabschiedeten uns in Vorfreude auf den nächsten „Kriminalfall“.

Die anstrengende Arbeitswoche verlangte so allmählich ihren Tribut. Ich war müde und wollte nur noch heim in mein Bett und schlafen. Chris und Grit fuhren vor mir im Auto und ich musste schmunzeln, wenn ich an so manche lustige Situation des Abends dachte, an die coolen Outfit´s der Anderen, die Kommentare …  Nur jetzt nicht einschlafen beim Fahren, ein paar Minuten durchhalten noch, dann …

Plötzlich sah ich dieses Licht vor mir, dass sich auf und ab bewegte. Also ich hatte definitiv keinen Alkohol intus! Die Rücklichter des Autos von Chris waren plötzlich verschwunden. Es liefen Menschen auf der Straße herum. Was machen die da mitten in der Nacht? Oh, Polizei! Auch das noch! Ich musste anhalten und ließ auf das Handzeichen eines Polizeibeamten hin meine Scheibe herrunter.

„Guten Abend, Fahrscheinkontrolle. Ihre Fahrzeugpapiere mal bitte.“

„Och, nö, oder? Warum denn? Hab ich was falsch gemacht?“

„Geben Sie mir einfach nur ihre Fahrzeugpapiere.“

Umständlich kramte ich diese aus meiner bodenlos scheinenden Handtasche heraus und gab sie (leicht genervt) an den Beamten weiter. Haben die denn um diese Zeit nichts Besseres zu tun, ich war doch so müde und wollte einfach nur schnell heim. Neben dem Polizisten stand noch einer. Waren da nicht vorhin drei Polizisten? Wohin ist denn der Dritte plötzlich verschwunden? Wissen die etwa schon, was passiert war? Ich kam gar nicht dazu, mir darüber weiter den Kopf zu zerbrechen, als ich bemerkte, wie der erste Polizist meine Papiere an den anderen weiter gab. Vielleicht hatte er seine Brille nicht dabei oder ihm gefiel mein Passbild nicht … Er musterte mich interessiert und hatte scheinbar vor, sich noch ein bisschen mit mir zu unterhalten. Seufz! Sieht er denn nicht, dass ich müde bin? Doch ich musste ihm antworten, es fiel mir spontan keine Alternative ein.

„Was haben sie denn heut Abend getrunken?“

„Ach, alles Mögliche, bunt durcheinander. Aber keinen Alkohol, falls Sie das meinen. Unsere Kommune hat dem Alkohol total abgeschworen, müssen Sie wissen.“

„Kommune?“

„Na, ich komme doch drüben von der Insel. Wir leben dort schon seit über drei Jahren in einer Kommune zusammen. Jetzt sagen Sie bloß, Sie wissen das nicht? Ist doch schließlich Ihr Revier hier, oder?“

„Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Hier gibt es keine Insel. Geht es Ihnen gut?“

„Na klar geht’s mir gut. Bis eben zumindest war ich richtig gut drauf. Okay,  im Moment könnte es besser sein. Also eigentlich geht’s mir NICHT wirklich gut. Ich bin hundemüde und will heim ins Bett. Ich hatte die letzten Nächte nur wenig Schlaf. Der Abend heute war auch lang, Mitternacht ist schon vorbei, mir wird langsam kalt und dann dieser Mord … Die ganze Hanfernte wurde uns auch noch geklaut. Außerdem wollte José nicht mit mir nach Ibiza fliehen, der Scheißkerl …“ (Ach, guck an, da war ja plötzlich auch der dritte Polizist wieder und guckte mich genauso irritiert an, wie die beiden anderen. Haben die was? Gefallen ihnen meine Blumen im Haar nicht oder ist es wegen der vielen Schminke, die ich nicht wirklich professionell aufgetragen habe (wäre nur Johanna da gewesen, die kann so schön schminken …).  Ich vermutete, die sind total übermüdet, überarbeitet oder sie langweilen sich und wollen mir ein Gespräch aufdrängen. Mehr Möglichkeiten fielen mir gerade nicht ein. Am besten ich sage alles, was ich weiß, dann lassen sie mich ziehen, dachte ich. Immerhin war ich unschuldig.

„Wo ist denn jemand gewaltsam zu Tode gekommen?“

„Hab ich das etwa behauptet? Ach ja, hab ich. Also gut: Die Proble-Muschi hat´s erwischt. Ähhhm, die Problem-Uschi natürlich. Aber ehrlich gesagt, es stört mich nicht. Die alte Schlampe hat sich an meinen Knackarsch-Josè ran gemacht, mit dem ich abhauen wollte. Das ist die gerechte Strafe des Mondgottes Chandra, das sage ich Ihnen!“

„Steigen Sie doch bitte mal aus dem Wagen. Wir machen jetzt eine Alkoholkontrolle und …“

„Nein, ich steig nicht aus. Dazu sehe ich beim besten Willen keine Veranlassung! Ich bin müde, meine Beine sind kalt und ich habe definitiv keinen Alkohol getrunken. Glauben Sie mir doch einfach! Nach Blasen ist mir auch nicht und auf ein weiteres Gespräch mit Ihnen hab ich erst recht keine Lust. Mit dem Mord an Muschi, äh, Uschi hab ich nichts zu tun. Fahrt doch rüber in den Schlosshof. Sie liegt auf dem Komposthaufen, ihr Arm ist ganz grün und hängt über den Rand hinaus.“

„Haben Sie Drogen zu sich genommen?“

„Ha, schön wär`s. Brauchen Sie etwa auch was? Da haben sie leider Pech! Die ganze Hanfernte ist weg. Kein Gras übrig. So ein Jammer! Ich steh ja selbst auf dem Schlauch, verdammt noch mal. Was soll ich da noch auf der Insel, ich will da weg und Sie hindern mich daran! Kümmern Sie sich doch um andere Angelegenheiten! Oder reden Sie mal mit Hanf-Dieter, ja, genau, das sollten Sie tun! Oh, Chandra, Mondgott, ich flehe dich an und opfere dir gerne meinen nächsten Joint, wenn die die drei jetzt endlich mit der blöden Fragerei aufhören und mich heimfahren lassen!“

„Wer hat denn Uschi angeblich umgebracht?“

„Ich weiß, wer es war. Wir haben es ja raus gekriegt! Oder was glauben Sie, haben wir den ganzen Abend lang gemacht? Allerdings hab ich vergessen, wer der Mörder war, unwichtig für mich. Muschi hat´s nicht besser verdient. Aber das mit dem Hanf ist echt Mist ☹ Ein Jahr Arbeit für die Katz! Ich muss jetzt aber wirklich heim, geben Sie mir bitte wieder meine Papiere!“

„Wir fahren jetzt erst einmal gemeinsam auf die Polizeiinspektion Hildburghausen, nehmen Ihre Personalien für das Protokoll auf und überprüfen Ihre Behauptungen. Außerdem scheinen Sie sehr verwirrt zu sein und brauchen dringend ärztliche Hilfe.“

„Ich bin nicht verwirrt, ich bin nur müde. Verstehen Sie, MÜDE! Hilfe brauch ich auch nicht, außer, wenn Sie mir einen Flug nach Ibiza spendieren. Wozu hab ich heimlich Spanisch gelernt, verdammt noch mal! Obwohl, nach Australien würde ich noch viel lieber fliegen, Hauptsache weit weg. Ich frag mal Dreamcatcher, ob er noch eine Reisebegleitung braucht. Und überhaupt: ich bin unschuldig. Hallo, was soll das? Also ich darf doch bitten! Nehmen Sie Ihre Hände weg! NEIN! Loslassen! Drei gegen eine, wo gibt`s denn sowas? Das ist unfair! Handschellen? Sie übertreiben, das ist Freiheitsberaubung! Chandra, CHANDRAAAA. wo bist du, wenn man dich braucht, du alter, verkiffter Penner? Hilf mir! Lassen Sie mich sofort los! HILFE! …“

Ich erwachte von meinem eigenen Schrei. In meinem eigenen Bett. Draußen dämmerte es bereits und ich hatte immer noch die Sachen von gestern an – grins. Krimi-Dinner-Party 😉

Dezember 1989

Meine Bekanntschaft aus dem Bulgarienurlaub im Sommer, Elke, kam seit unserem Kennenlernen nun des Öfteren mit ihrem Trabbi aus Ronneburg zu mir gefahren, denn neuerdings war ja das Leben bei uns im ehemaligen Sperrgebiet viel spannender geworden. Noch vor ein paar Monaten guckten wir in Bulgarien voller Sehnsucht über die Grenze nach Griechenland (immerhin konnten wir danach erzählen, Griechenland gesehen zu haben, wenn auch aus der Entfernung heraus) und plötzlich war der „Eiserne Vorhang“ weg. Es tat sich was an der in unseren Köpfen immer noch existierenden, aber zunehmend durchlässiger werdenden Grenze. Langsam hatte man sich im anliegenden Bayern daran gewöhnt, dass am Wochenende die Ossis in Scharen angeströmt kamen, um mit ihren Trabbies die Luft zu verpesten und das Nachtleben zu erkunden. Die erste Zeit war ich ab und zu in Bad Königshofen in einer Discothek, später sind wir bis nach Frohnlach und in andere Orte gefahren. Es war eine aufregende Zeit, wir „eroberten“ sozusagen Stück für Stück den Westen.

Umgekehrt kamen die Wessis rüber zu uns. Am Anfang lief das alles noch mit Ausweiskontrolle an den Grenzübergängen ab, was mir immer etwas Unbehagen bereitete. Wenn wir nach Bad Königshofen wollten, mussten wir erst nach Eicha fahren und dann rüber nach Trappstadt. Die Straße, die heute von Linden aus um Trappstadt herum, durch Eyershausen nach Bad Königshofen führt, die gab es damals ja noch nicht. Zirka 500 Meter nach Eicha war der inzwischen offene Grenzübergang.

Die ersten Male war es total aufregend, so wie alles Neue einen gewissen Reiz hat. Das legte sich dann aber mit der Zeit. Auch in der Diskothek war alles etwas anders. Ich war ständig am Zweifeln, ob ich die richtigen Sachen anhatte. Irgendwie kam ich mir total altmodisch vor: meine Klamotten, die Frisur, die Schuhe, wie ich tanzte. Die Getränkepreise waren für uns erschreckend hoch und die exotischen Namen mancher Getränke, die auf der Tafel hinter der Bar angeschrieben standen, verwirrten mich. Also fragte ich, ob es denn auch Orangensaft gibt. (wir waren immer noch gewohnt zu fragen: „Haben sie …?“ oder „Gibt es ..?“) Der Barkeeper verstand mich nicht, weil die Musik so laut war. Also wiederholte ich meine Frage etwas lauter. Er zurück: „O-Saft?“ Ich: “Nein, Orangensaft.“ Er: „Naja, sag ich doch, O-Saft.“ Ich: „Äh, ach so! Ja, O-Saft, na klar.“ Muss man ja erstmal wissen, ne? Es war mir sowas von peinlich, weil die Leute neben mir so guckten wie: Ach je, die Ossis hatten nicht mal O-Saft! Doch! Es gab Apfelsinensaft, manchmal zumindest.

Eines nachts auf der Rückfahrt nachhause, mussten wir an der Kontrollstelle zwischen Trappstadt und Eicha wieder zur Ausweiskontrolle anhalten. Wir kramten gerade unsere Ausweise aus den Taschen, da kam aus der Gegenrichtung ebenfalls ein Auto mit jungen Leuten gefahren. Wessis. Sie mussten ebenfalls anhalten und ihre Ausweise suchen. Sie waren sehr lustig drauf und wir kamen ins Gespräch. Es war nicht viel los um diese Uhrzeit und keiner der Kontrollposten sagte etwas, als wir aus unseren Autos ausstiegen und das jeweils andere Fahrzeug anguckten. Elke war total begeistert von den vielen Lichtern auf dem Armaturenbrett, die ihrer Meinung nach leuchteten wie ein Christbaum. Sie hat sich gar nicht wieder eingekriegt vor Begeisterung. Bei ihr im Trabbi leuchtete nicht wirklich viel. Die Leute waren aus Königshofen und kamen von einer Disco in Meiningen. Das fanden wir lustig. Wir waren „drüben“ in der Disco und sie waren auch „drüben“ – für jeden von uns war es von seiner Seite aus gesehen „drüben“. Die Kontrollposten standen ein bisschen verunsichert herum, ließen uns aber gewähren und sagten nichts. Was hätten sie auch sagen oder machen sollen, sie hatten eh in dieser Nacht die A-Karte und unsere zwanglose Unbekümmertheit verunsicherte sie sicherlich. Ich hatte wirklich Mitgefühl mit ihnen, denn wir amüsierten uns und sie mussten in dieser kalten Nacht ihren Dienst schieben.

Die Fotos habe ich genau an der Stelle fotografiert, wo wir in dieser Nacht im Dezember 1989 standen, und habe mich an die kleine Episode von damals erinnert.

Kaum zu glauben, dass das schon wieder fast 27 Jahre her ist …

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Straße von Trappstadt Richtung Eicha. Hier war die Ausweiskontrolle.

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Blick nach Trappstadt

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Im Westen geht die Sonne unter

Dreamcatcher

Tja, seit gestern ist es nun so weit. Ich bin Mutter eines Traumfängers geworden. Ja, das ist mein voller Ernst. Also nicht, dass ich in meinem Alter noch mal frisch gebackene Mutter geworden wäre, um Himmels Willen, nein!!! Mein Junior 2 befindet sich in der Mutationsphase vom kleinen Privatkundenberater einer Bank zum Aussteiger und zukünftigen (möglicherweise weltweitem) Dreamcatcher – hach … irgendwie aufregend!

War er nicht erst noch so klein? Wo ist die ganze Zeit hin?

Dreamcatcher.tv

Seit einer Weile weiß ich von seinen Plänen, die ersten Reisevorbereitungen laufen schon ein paar Wochen und kommen nun so langsam in die Endphase. Viel kann ich dabei nicht tun, außer interessiert zu verfolgen, was er alles bedenken muss. Ehrlich – auf Manches wäre ich nie gekommen. Naja, ich fahre ja nicht in die Welt und brauche mir nicht seinen Kopf zu zerbrechen. Obwohl – bei aller Vorfreude, die ich gerne mit ihm teile, ein kleines bisschen neidisch bin ich schon. Wir hatten als junge Menschen nicht die Möglichkeiten, nach Lust und Laune in der Welt herum zu reisen. Unser erreichbarer Horizont endete an den Grenzen des Ostblocks, war also sehr überschaubar. Siehe auch meine Geschichten Mit „Jugendtourist“ nach Bulgarien und Daumen im Wind

Lügen würde ich, wenn ich behaupte, dass auch etwas Sorge in mir ist. Typisch Mutter halt, ne? Die Sorge kann ich zum Glück relativ gut verdrängen. Das positive Gefühl überwiegt und das ist gut so. Australien, Down under … Kein Wunder, dass mir grad der gleichnamige Song von „Men at Work“ einfällt „Down Under“

Was ich mich die ganze Zeit frage: wie wird die Zeit ohne ihn in der Nähe wohl werden? Das wird sicher besonders anfangs etwas ungewöhnlich sein. Immerhin habe ich noch Junior 1, den ich dann bemuttern kann, in der Nähe. Obwohl, er steht auf beiden Beinen im Leben und braucht selten bis gar nicht meine mütterliche Fürsorge 😉 Und natürlich habe ich den Rest der Familie und meinen Alltag, der mich ausfüllt.

Trotzdem, da ist noch was. Die Gedanken, ob ich J2 in seinem bisherigen Leben genug mitgegeben habe. Klar wird das, was auch immer es ist, nie die eigenen Lebenserfahrungen ersetzen. Trotzdem geben Eltern ihren Kindern immer etwas mit auf den Weg, weiß ich aus eigener Erfahrung. In Einem bin ich mir jedoch sicher, ich habe ihm die Flügel gegeben, die er für dieses Abenteuer braucht. Auch wenn seine Wurzeln sich hier befinden. Nur ist da auch wieder so eine Sache, die mir durch den Kopf geht: es ist ja möglich, dass sich woanders Wurzeln bilden können. Damit muss ich rechnen, schiebe es aber weit weg, auch wenn ich es akzeptieren würde. Welche Wahl hätte ich auch?

Ach menno, ich will das auch mal machen!

Tschüssi, muss jetzt Koffer packen, für alle Fälle … 😉

Was einem doch so alles passieren kann im Leben

Da schreib man seine Erinnerungen an längst vergangene Zeiten auf, stellt sie ins Netz, Leute interessieren sich dafür und dann ruft plötzlich einer vom Fernsehen an und will genau diese Erinnerungen für eine Doku verwenden – klingt doch schon mal interessant, ne?

Wer meine Geschichte „Mit Jugendtourist nach Bulgarien“ gelesen hat, weiß, worum es sich dreht.

Neben dem Drehteam werde ich unter anderem Bürger Lars Dietrich, der als Moderator fungiert, kennen lernen. Ich lasse mich überraschen und werde berichten.

Upps – haha – 1889 🙂 was hab ich nur wieder getippt? Da hab ich natürlich noch als Quark im Schaufenster gelegen – grins

Winterspaziergang

Nach der langen Arbeitswoche hätte ich eigentlich mehr als genug im Haushalt zu tun gehabt, denn unter der Woche ist viel liegen geblieben und ich wollte nicht die ganze Arbeit am Wochenende erledigen. Doch es fiel mir schwer, bei diesem herrlich-strahlenden Sonnenschein und den eisigen Temperaturen den ganzen Freitagnachmittag im Haus zu verbringen und mit „Pflichten“ zu vergeuden. Ich bin nicht so der Wintermensch, eher eine Frostbeule mit zwei Beinen, mag lieber den Sommer mit tropischen Temperaturen. Warm eingemummelt entschied ich mich trotzdem spontan für eine kleine Frischluftkur, überlegte am Hoftor kurz, ob ich links oder rechts entlang gehen sollte, entschied mich für links, machte mich auf den Weg und war nach wenigen Minuten außerhalb des Dorfes. Die klirrend kalte Luft bitzelte in meinem Gesicht wie tausend feine Nadelstiche. Beim Ausatmen wallten feuchtwarme Wölkchen aus meinem Mund und vereinigten sich mit der Winterluft. Die Geräusche aus der Umgebung, meine knirschenden Schritte im Schnee und mein leichtes Schnaufen beim Hügelaufwärtsgehen nahm ich durch meine kuschlig warmen Ohrenschützer sanft gedämpft wie durch einen Wattebausch wahr.

Die Kamera baumelte startklar über meiner Schulter und ich hielt gewohnheitsgemäß Ausschau nach interessanten Motiven, während sich meine Lunge allmählich an die zweistellige Minustemperatur angepasst hatte und tapfer tiefe Züge der schneidend kalten Luft inhalierte.

Während ich am Feuerlöschteich vorbei Richtung Wald durch den hart gefrorenen Schnee stapfte, genoss ich die freie Zeit und nahm mir vor, wieder öfter spontan einen kleinen Spaziergang zu unternehmen. Nicht nur wegen der frischen Luft und zum Fotografieren – einfach nur so, zum Abschalten und Natur bewundern.

Nach anderthalb Stunden kroch trotz stetiger Bewegung die Kälte allmählich an meinen jeansumhüllten Beinen hoch, die Nase und die Wangen hatten sich gerötet und die im Schnee stark reflektierende Sonne ließ schwarze Punkte vor meinen Augen tanzen. Hätte ich nur eine Sonnenbrille aufgesetzt!

Ein halbe Stunde später saß ich bei meinen Eltern am Kaffeetisch, angenehm erhitzt trotz kalter Beine, mit frischer Hautfarbe, total entspannt und ausgeglichen. Meinen Haushalt hatte ich vergessen, er würde mir nicht weglaufen. Ich hatte ein paar Fotos im Kasten und freute mich auf den Abend, wo ich sie mir auf dem Laptop anschauen und die Stimmung des Nachmittags noch einmal nachspüren würde.

Ob am Ende doch noch ein Wintermensch aus mir wird?

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trotzt der Eiseskälte

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Himmelsblick

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Eisapfel

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ohne Moos nichts los

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Fürstenweg

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keiner da zum Küssen 😉

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Es geht aufwärts

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wir zwei halten zusammen

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Straufhain und Veste Heldburg mit Deutschem Burgenmuseum

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Die Steinsburg (Kleiner Gleichberg)

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nicht spurlos

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Einblick

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frisch poliert und zart gepudert – Kiliankirche zu Bedheim mit Schwalbennestorgel

 

 

 

 

 

Ein Wiedersehen

 

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1990 in Gran Canaria, Taurito Playa

Waren wirklich schon so viele Jahre vergangen, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten? Immerhin 26 Jahre! Ich schaute ihr entgegen, als sie über den Bahnhofsvorplatz auf mein Auto zu lief. Sie stieg ein und ich hatte das Gefühl, dass wir uns erst gestern begegnet wären. Ist sowas möglich? In meinen Augen sah sie noch genauso aus wie damals, als wir uns auf einer Jugendtouristreise nach Bulgarien kennengelernt hatten. (Mit “Jugendtourist” nach Bulgarien) Ihr Lachen, die Stimme, die Haare, der Gang – Elke! Ein Jahr nach unserem Kennenlernurlaub waren wir noch ein zweites Mal zusammen unterwegs. Die Wende war dazwischen gekommen und mit ihr die Möglichkeit, neue  Reiseziele zu entdecken. Ganz kurz kamen mir die Erinnerungen an zwei Wochen Gran Canaria in den Sinn. Doch es würde später noch Zeit sein, darüber zu erzählen.

 

Ich musste losfahren, hier konnte ich nicht parken. Wir fuhren Richtung Innenstadt in ein Parkhaus. Dann begrüßten wir uns erstmal richtig und freuten uns, dass wir es endlich auf die Reihe gekriegt hatten uns zu treffen.

Im Mai hatte ich sie auf Facebook „gefunden“ und Kontakt aufgenommen. Seitdem hatte sich noch keine Gelegenheit für ein Treffen ergeben, familiäre Ereignisse machten uns immer wieder einen Strich durch die Rechnung, doch aufgeschoben war ja nicht aufgehoben.

Nun saßen wir uns in dem Restaurant in der Nähe der Krämerbrücke gegenüber und erzählten uns gegenseitig unsere Geschichten. Es fühlte sich vertraut an und herzlich. Handyfotos wurden angeguckt und das erste Foto gemacht zum Senden an die Dritte im Bunde, die damals mit auf der Bulgarienreise war. Nach dem Essen gönnten wir uns einen heißen Punsch auf der Krämerbrücke. Es wurde schon dämmrig und die Zeit eilte uns davon. Wie schade, dass wir uns damals aus den Augen verloren hatten.

Als wir uns am Abend verabschiedeten, fiel uns auf, dass wir nur über unser jetziges Leben gesprochen hatten. Wir machten aus, dass unsere Erlebnisse von damals beim nächsten Treffen dran sind. Dann wollen wir auch die alten Fotos zum Anschauen mitbringen, freu ich mich jetzt schon drauf. Wir bleiben dran und vor allem in Kontakt. Es ist so schön, dass wir uns wieder gefunden haben.

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2016 in Erfurt, Krämerbrücke

 

 

Urlaubsnachlese

Den ersten Schnee hat es in den Höhenlagen des Thüringer Waldes schon gegeben. Mal sehen, wie der Winter heuer wird. Die letzten beiden Jahre war nicht viel los mit weißer Pracht und so. Ich lass mich überraschen. Letztendlich müssen wir das Wetter nehmen, wie es kommt. Die Winterräder am Auto sind drauf. Ein paar andere Dinge, die ich für eventuelle Fälle unterwegs brauchen könnte, habe ich ebenfalls bereits im Auto: Wolldecke, Eiskratzer, kleiner Handbesen, Scheibenenteiserspray, Mütze, Handschuhe, Taschenwärmer für die Hände usw.

Voriges Wochenende habe ich meinen letzten Mittagsschlaf für dieses Jahr im Auto gemacht. Nach dem frühem Aufstehen und einer Wanderung am Rennsteig hat mir das richtig gut getan. Am darauffolgenden Tag räumte ich Matratze und Schlafsack ganz schweren Herzens nun doch endlich aus. Die Sachen hatte ich die ganze Zeit seit dem Urlaub noch im Auto gelassen. Das war praktisch, denn meine Mittagspausen auf Arbeit verbrachte ich den ganzen September lang fast täglich im Auto bei einem Nickerchen. Wie entspannend! Mein Plan war eigentlich, dass ich mir noch mal eine kleine Auszeit gönne und meine letzten paar Urlaubstage ganz locker per Seatcamping (huiiii – ein neues Wohort) an der Ostsee verbringe, so wie ich es im August schon mal getan hatte, auf der Insel Poel, was war die Woche herrlich … Wahrscheinlich würde ich mir da jetzt in der Nacht den Hintern abfrieren, wo ich doch so eine Frostbeule bin. Trotzdem sehne ich mich ans Meer zurück und immer wenn ich ein Autobahnhinweisschild sehe, möchte ich am liebsten losdüsen und alles für ein paar Tage hinter mir lassen.

Beim Ausräumen und Verstauen der „Autocamping“-Sachen dachte ich an ein paar kuriose Begebenheiten der letzten Wochen.

Kurz nach meinem Urlaub, Matratze, Schlafsack und Kopfkissen lagen wie erwähnt für den nächsten Kurztrip noch im Auto, wollte ich für die Kollegen auf Arbeit nachträglich etwas auf meinen Geburtstag ausgeben. Also fuhr ich nach einem langen Arbeitstag zum Supermarkt. Ich wollte schnell heim kommen und schob hastig meinen Einkaufswagen durch die Gänge. Wie gut, dass ich mir einen Einkaufszettel geschrieben hatte, da brauchte ich meinen Kopf nicht unnötig anzustrengen, denn der war sowieso voll mit vielen anderen Gedanken. An der Kasse ging es zügig und schon stand ich mit meinem vollen Einkaufswagen auf dem Rollband Richtung Parkdeck im Untergeschoss.

Untergeschoss? Ich stutzte und plötzlich fiel mir ein, dass mein Auto ja gar nicht unten stand sondern oben gleich gegenüber vom Haupteingang. Ich versuchte einer spontanen Eingebung folgend meinen Einkaufswagen rückwärts vom Rollband nach oben zu ziehen, was natürlich vollkommen aussichtslos war und sicher urkomisch ausgesehen haben muss, deshalb hörte ich damit auf, guckte mich um, ob es auch ja keiner gesehen hat, und musste plötzlich über mich selbst lachen.

Unten kam gerade ein Mann um die Ecke herum und betrat mit seinem Einkaufswagen voller Leergut das Rollband auf der anderen Seite, das nach oben führte.

Situation:

Mann sieht Frau mit vollem Einkaufswagen auf dem Rollband nach unten, sie ist ganz allein und sie lacht laut und herzhaft.

Frau sieht Mann mit Einkaufswagen voller leerer Flaschen auf dem Rollband nach oben, er ist allein, er schaut sie an, kratzt sich hinter dem Ohr und zieht die Stirn kraus. 

Ich musste noch mehr lachen, als ich sein Gesicht sah. Ich wollte mit dem Lachen aufhören, aber es ging nicht. Wenn ich angestrengt versuche, nicht zu lachen, dann muss ich erst recht lachen. Also versuchte ich nicht weiter, nicht zu lachen. Er grinste und guckte sich verunsichert um. Also fragte er mich, was denn so lustig wäre. Mir standen schon Tränen in den Augen und so brachte ich nur: „Mein Auto …“ heraus und zeigte mit dem ausgestreckten Arm nach oben während ich weiter nach unten fuhr und ununterbrochen weiter lachen musste. Er verstand sofort, was ich meinte, nickte und musste nun auch herzhaft lachen. Unten angekommen, inzwischen hatten hinter mir zwei weitere Personen mit ihren voll beladenen Einkaufswägen das Band betreten, beschrieb ich einen eleganten Bogen, wischte mir dabei schnell die Lachtränen aus dem Gesicht, und ließ mich und meinen vollen Einkaufswagen von dem Band auf der anderen Seite wieder nach oben transportieren. Ich verkniff mir diesmal unter allergrößten Mühen das Lachen, versuchte eine gleichgültige Mine aufzusetzen (ja, ganz so gleichgültig war sie doch nicht,  die Mundwinkel haben schon tüchtig gezuckt) und schaute die beiden Leute auf dem Band nach unten an, als ob es ganz normal wäre, mit den Einkäufen zum Zeitvertreib hoch und runter zu fahren.

Oben stand der Mann und wartete darauf, mir redselig mitteilen zu können, dass ihm das auch schon passiert wäre. In großen Parkhäusern schreibe er sich sogar die Nummern des Parkplatzes auf. Na also, gibt es noch mehr so zerstreute Menschen. Ich zollte ihm Anerkennung für die gute Idee mit dem Aufschreiben, wir lachten nochmal zusammen und während er zum Leergutautomaten ging, nahm ich diesmal den richtigen Ausgang, schmunzelte noch ein bisschen in mich rein und wollte anfangen, die Einkäufe im Auto zu verstauen (hatte ich irgendwann schon mal erwähnt, dass ich Einkaufen hasse?)

Wie ein riesiges Maul sperrte die fünfte Tür meines Autos ihren Rachen auf und gab den Blick frei auf eine Matratze, Kopfkissen, Schlafsack, Wasserkanister, Klopapierrolle, Taschenlampe, Insektenspray, Regenschirm und eine provisorische „Wäscheleine“ aus Paketschnur mit vier blauen Klammern daran. Ich hatte die Schnur zwischen den Haltegriffen an der Decke neben den Rücksitzen gespannt – clever, ne?

Zu dumm nur, dass ich die Klappboxen für die Einkäufe nicht dabei hatte. So ein Mist aber auch! Mann, eh, jetzt musste ich den ganzen Einkauf so ins Auto legen, das macht mir wieder mehr Arbeit daheim. Fast wäre meine gute Stimmung von eben wieder verflogen gewesen. Als ich gerade dabei war, etwas unmotiviert Frischkäse, Baguettes (natürlich in der Tüte), schwarzen Tee, Bohnenkaffee, Pizzagewürz, Mozzarella … kurzum meine Einkäufe einzeln, immer schön nacheinander wie Wurfscheiben lässig aus dem Handgelenk heraus ins Innere des durch Matratze, Schlafsack und Kissen gepolsterten Autos zu befördern, als plötzlich der Mann vom Rollband noch mal lachend auf mich zugelaufen kam und schon aus geraumer Entfernung anfing zu berichten, dass er sogar schon mehrmals den Wertbon für das Leergut, dabei schwenkte er diesen demonstrativ in der Hand, in dem Automat hatte liegen … Doch in diesem Augenblick verschlug es ihm abrupt die Sprache, denn er war bei meinem Auto angekommen und starrte in das Maul des Kofferraums hinein. Er sah nicht das darin, was er scheinbar erwartet hatte. Auf meinem Schlafsack und dem Kopfkissen lagen inzwischen neben den oben genannten Sachen noch Haarwäsche, Rasierklingen, Servietten, Katzenfutter, zwei Stumpenkerzen, ein halbes Brot, eine Flasche Riesling, Gummihandschuhe u.a. Er guckte mich ganz sonderbar mit etwas zur Seite geneigtem Kopf an. Irgendwie sah er leicht verstört aus. Ich guckte zurück, sehr entspannt und lächelnd, hob kurz die Schultern und erklärte ziemlich glaubhaft, während ich locker-flockig noch eine Packung Vanillezucker und Kaugummis ins Auto schleuderte: „Naja, auf Besuch bin ich heut eigentlich nicht eingestellt, sonst hätte ich vorher etwas aufgeräumt. Gefällt`s Ihnen nicht bei mir? Also, ja, im Winter wird es manchmal etwas frisch, aber die paar Monate gehen auch schnell rum, ne? Und durch den Klimawandel wird das ja nicht mehr ganz so kalt …“  Dabei nickte ich überzeugt. Er brachte noch ein „Ja, ach so, ja klar. Ich muss dann auch wieder …“ zustande und war dann ziemlich schnell im Inneren des Supermarktes verschwunden. Meine Laune hatte sich schlagartig verbessert.

Vergnügt fuhr ich an Hibu Ost vorbei Richtung Innenstadt. Nur einen ganz winzigen Augenblick lang zögerte ich an der Kreuzung mit dem Wegweiser Richtung Autobahn, seufzte kurz und fuhr nicht dorthin, wo ich gerne hin gefahren wäre, obwohl ich meinte, für einen kurzen Moment eine Möwe kreischen gehört zu haben.

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Ich fuhr einfach heim.

Schüsse in der Nacht

Es war Anfang der 1980er, Sommer, Semesterferien.

Die Nacht war schon angebrochen und ich lag bei offenem Fenster im Bett. Irgendwo lief noch ein Fernsehgerät. Ich versuchte ein paar Wortfetzen aufzuschnappen und daran die Sendung zu erkennen. Es gelang mir nicht. Dann muss ich eingeschlafen sein.

Ich wachte auf, weil es mehrmals laut knallte. Der Wecker zeigte an, dass ich noch nicht sehr lange geschlafen hatte. Zuerst dachte ich, dass es ein Traum gewesen wäre. Dann knallte es wieder, mehrmals hintereinander und mir wurde bewusst, dass es Schüsse waren. Ich sprang aus dem Bett und schaute zum Fenster raus. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Was war passiert? Ging es jetzt los? Nur was genau sollte los gehen?

Man hat uns immer eingeimpft, dass unsere Staatsgrenze vor dem „imperialistischen Klassenfeind“ geschützt werden muss. Die Grenze war nicht weit. Wurden wir angegriffen? Was gab es denn bei uns schon zu holen? Oje, sowas durfte man nicht denken, schon gar nicht, wenn man wie ich auf Kosten des Staates studierte.

Plötzlich begann ein Maschinengewehr zu rattern. Bisher hatte ich dieses Geräusch nur in Filmen gehört. Es hörte sich viel schlimmer an. Furchtbare Bilder aus Kriegsfilmen kamen mir in den Sinn. Ich war unfähig mich zu bewegen. Meine Beine waren wie Gummi. Auch in anderen Häusern in der Straße sah ich nun ein paar Köpfe in den Fenstern, die dann wieder verschwanden. Warum kommen meine Eltern nicht hoch und beschützen mich? Ich hatte solche Angst, fühlte mich hilflos und verwirrt. Die Schüsse, das Maschinengewehr – oder waren es mehrere? – sie waren höchstens ein paar Kilometer entfernt, vermutete ich. Obwohl man sich in der Nacht leicht täuschen kann. Ich glaubte Lichtblitze am Himmel zu sehen. War mir aber nicht sicher. Überhaupt fühlte ich mich nicht mehr sicher.

Ich würde nie hier wohnen bleiben, wenn ich mal Familie und Kinder habe. Die Nähe zur Grenze – das könnte ich ihnen nicht antun. Ewig eingeschränkt durch das Sperrgebiet, immer Militär in der Nähe und dann noch solche nächtlichen, Angst einflößenden Ereignisse! Und keiner sagt einem, was los ist!

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit für mich, dann war mit einem Mal alles wieder ruhig. Als ob nichts gewesen wäre. Es erschien mir unmöglich, mich vom Fenster weg zu bewegen. Ich wusste nicht, ob mich meine Beine getragen hätten. Erst jetzt merkte ich, dass sich meine Finger so fest um das Fensterbrett gekrallt hatten, dass es weh tat. Mein Herz schlug immer noch wie wild und ich glaubte das Blut in meinen Ohren rauschen zu hören. Was auch immer das war, es hatte mir den Schlaf für diese Nacht geraubt.

Am nächsten Tag erfuhr ich, dass es eine Übung war in einem Dorf in der Nähe, Friedenthal, Übungsgelände für die Zivilverteidigung der ehemaligen DDR und wer weiß, wer dort noch geübt hat, nachdem die Einwohner umgesiedelt wurden.

Für mich war diese Nacht ein traumatisches Erlebnis. Sie hat mir noch Jahre danach Albträume beschert.

Heute, am Tag der Deutschen Einheit, musste ich wieder daran denken. Wenn der Schützenverein Hildburghausen beim Umzug zum Theresienfest Böllerschüsse abgibt, dann habe ich längst keine Gänsehaut mehr, weil die Erinnerungen hoch kommen, höchstens Ohrenschmerzen von dem Krach der Schüsse.